Phantastisches Böhmen, im Sudetendeutschen Haus treffen Geister und Burgen des Sudetenlandes auf Erinnerung, Versöhnung und kulturelles Erbe.
Nach dem Räuber Hotzenplotz und dem unsterblichen Berggeist Rübezahl widmete sich Prof. Dr. Samerski im dritten Teil der Vortragsreihe Phantastisches Böhmen im Sudetendeutschen Haus in München den Geistern in Kirchen und Burgen Böhmens. Der Abend im Adalbert-Stifter-Saal begann mit einer fast warnenden, aber zugleich verheißungsvollen Ankündigung:
„Ich werde mich mit Geistern und übersinnlichen Phänomenen in den böhmischen Ländern beschäftigen.“
Damit war der Ton gesetzt, kein Gruselkabinett, sondern ein Gang durch Erinnerungskultur, Sagenwelt und Legenden, die bis heute ganze Orte prägen.
Schlösser des Sudetenlandes, rote Kreuze, weiße Frauen und ein eingemauertes Skelett
Was wäre ein Schloss ohne seinen Geist? Prof. Samerski brachte es auf den Punkt:
„Zu jedem Schloss, zu jeder Burg, je älter, je besser, gehört immer ein Schlossgeist.“
Mal ist es die weiße Frau, die den Herrschaften Glück verheißt, mal die schwarze Braut, die Unheil bringt. Diese Gestalten sind mehr als Spuk, sie sind Teil der kulturellen DNA Böhmens und des Sudetenlandes.
Ein eindrückliches Beispiel ist das rote Schloss Červená Lhota. Dort erzählt man, dass der Teufel mit dem Blut einer Jungfrau ein Kreuz an die Wand malte und dass keine Farbe die Spur tilgen konnte. Also strich man gleich die ganze Burg rot. Ein makabrer Ursprung für einen malerischen Ort.

Noch tiefer ins Unheimliche führt die Geschichte von Burg Wildstein (Skalná) im Egerland, einer alten Wasserburg mit Kapelle. Dort stieß man bei Restaurierungen 1987 auf ein Relikt, ein Skelett, eingemauert.
Die Untersuchungen ergaben, es war eine junge Frau aus der Familie von Trautenberg. Der Vortrag fasste die Legende zusammen: Johanna von Trautenberg sei der Hexerei beschuldigt worden. Um ihre Familie nicht zu beschämen, habe sie sich einmauern lassen. Ob historische Wahrheit oder nicht, in den kalten Mauern hallt diese Geschichte bis heute nach und das Skelet ist ausgestellt.
Untrennbar mit den Burgen des Sudetenlandes verbunden ist die Figur der weißen Frau. Samerski schilderte:
„Wenn sie schwarze Handschuhe hatte, dann verhieß das nichts Gutes. In weißem Kostüm war es ein gutes Zeichen.“
Die Überlieferung stammt aus den Burgen der Rosenberger, ist aber auch im Egerland lebendig. Bis ins 19. Jahrhundert zog die weiße Frau Maler, Komponisten und Opernlibrettisten.
Lost Places, böhmische Spukorte
Der Vortrag führte weiter zu den verlassenen Orten Böhmens. Ganze Dörfer, Fabriken und Heilbäder wurden nach 1945 aufgegeben, als die deutsche Bevölkerung vertrieben wurde.

Besonders eindrücklich ist Gießhübel-Sauerbrunn bei Karlsbad (Mattoni Kyselka). Einst ein Kurort, heute eine verfallene Ruine:
„Das ist ganz schön traurig, auch da hat man das Gefühl, man steht einem Geist gegenüber.“
Hier zeigt sich, dass Geister nicht nur in Sagen wohnen, sondern auch in den Narben der Geschichte, Vertreibung, Krieg, Verfall, jeder verlassene Ort wird selbst zum Phantom.
Die Geisterkirche von Luková, die finale Gänsehaut
Den Höhepunkt des Abends bildete die Geisterkirche von Luková im Pilsner Land. Die gotische Dorfkirche St. Georg wurde 1352 erstmals erwähnt, 1945 verlasen und nach einem Teileinsturz 1968 jedoch vollständig aufgegeben. 2012 schuf der Künstler Jakub Hadrava eine Installation, die seither für internationales Aufsehen sorgt.

Über 30 lebensgroße Gipsfiguren sitzen regungslos in den Bänken. Sie sind Abformungen lebender Modelle, doch ihre Gesichter bleiben leer. Samerski betonte:
„Das Gruselige ist, wenn Sie versuchen diesem Menschen ins Gesicht zu schauen, Sie schauen ins Leere, Sie schauen ins Schwarze, Sie schauen ins Dunkel, da ist nichts.“
Ein Bild, das man nicht vergisst. Luková ist heute ein Publikumsmagnet, die Eintrittsgelder helfen, das Dach und die Mauern zu sichern. In dieser „Geisterkirche“ finden inzwischen sogar wieder vereinzelt Gottesdienste statt.
Für alle, die sich gerne gruseln, sei Luková wärmstens, oder besser frostig-kalt, empfohlen. Zwischen den gesichtslosen Gestalten zu sitzen, ins Leere zu blicken und dabei die Geschichte eines verschwundenen Dorfes zu spüren, das ist ein Erlebnis, das tiefer geht als jedes Geisterhaus im Freizeitpark.
Am besten fährt man in der Dämmerung, wenn das Licht der sinkenden Sonne durch die zerbrochenen Fenster fällt. Dann verschmelzen Vergangenheit, Kunst und Legende zu einer Szenerie, die man nur in Böhmen findet.
Von Geistern zu Schwejk
Nach dem Räuber Hotzenplotz, Berggeist Rübezahl und den Geistern in Kirchen und Burgen geht die Reise nun weiter und sie schlägt eine ganz andere Tonart an. Der vierte Teil der Vortragsreihe Phantastisches Böhmen widmet sich Jaroslav Hašeks weltberühmtem Schwejk.
Der Vortrag findet am 10. November 2025 um 19:00 Uhr im Adalbert-Stifter-Saal im Sudetendeutschen Haus statt.
https://www.sudeten.de/veranstaltungen/vortrag-schwejk
Bleiben Sie also dran, die Reise durch das „Phantastische Böhmen“ geht weiter!
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