Dr. Peter Becher sprach im Haus des Deutschen Ostens über seinen Vater Walter Becher, seine eigene Biografie und das Lebenswerk im Zeichen der deutsch-tschechischen Verständigung und Kulturarbeit.

Am Abend des 31. Juli 2025 war der Saal im Haus des Deutschen Ostens in München gut gefüllt. Dr. Peter Becher, langjähriger Geschäftsführer und seit 2019 Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins, sprach über das Leben und Wirken seines Vaters Walter Becher und über seine eigene Biografie, die untrennbar mit der deutsch-tschechischen Verständigung verbunden ist. Moderiert wurde das Podium von Professor Dr. Andreas Otto Weber, dem Direktor des HDO, der Dr. Becher als „einen wichtigen Brückenbauer zwischen der deutschen und tschechischen Literatenwelt“ würdigte.

Peter Becher, geboren in München, Literaturhistoriker und Schriftsteller, wuchs im Schatten einer komplexen Familiengeschichte auf. Sein Vater Walter Becher war ein Vertreter der Sudetendeutschen und der Vertriebenenverbände, zeitweise Landtagsabgeordneter des BHE und später Bundestagsabgeordneter der CSU. Politisch vertrat er eine harte Linie gegen die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition.

Becher Familiengeschichte

Schon zu Beginn des Abends wurde die berühmte Familiengeschichte angesprochen, die oft mit einem bekannten Getränk verwechselt wird. Peter Becher lachte, als Prof. Dr. Weber die Frage stellte, ob die Familie mit „Becher Bitter“, dem Kräuterlikör Becherovka, zu tun habe.

„Wenn Sie den Namen Becher hören, denken viele auch an ein bestimmtes Getränk. Hat dieser Becher was mit deiner Familie zu tun?“

Prof. Dr. Weber

Dr. Becher erklärte in einem ruhigen Ton.

„Die Becher-Familie in Karlsbad ist eine der ältesten bürgerlichen Familien, die dort ansässig waren. Sie hat sich in drei größere Linien unterteilt. Die berühmteste Linie ist die Kaufmann-Familie. Aus ihr ist Johann Becher hervorgegangen, der Gründer der berühmten Likör-Fabrik Becher Bitter, auf Tschechisch Becherovka.“

Dr. Becher

Dr. Peter Becher selbst stammt jedoch aus der sogenannten „Engelhäuser-Linie“ und ist der letzte männliche Nachkomme dieser Linie. Die Familiengeschichte alle drei Linien ist sehr eng mit Karlsbad (Karlovy Vary) verbunden wo auch sein Vater Walter Becher geboren wurde.

Dr. Peter Becher wurde in München geboren und studierte Germanistik und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität. Besonders prägend war für ihn die Promotion bei dem renommierten Historiker Friedrich Prinz über den Untergang der Donaumonarchie, die sein Interesse an den kulturellen und politischen Verflechtungen Mitteleuropas vertiefte. Nach Tätigkeiten beim BR-Hörfunk und beim Goethe-Institut war er vier Jahre Bildungsreferent in der Jugendarbeit (Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder) und kam 1986 als Geschäftsführer zum Adalbert Stifter Verein. Dort setzte er von Beginn an auf die Öffnung des Vereins hin zu internationalen Partnerschaften und den Dialog mit tschechischen Partnern. Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1989 konnte er dieses Profil weiter ausbauen und den Adalbert Stifter Verein zu einer Schlüsselinstitution im deutsch-tschechischen Kulturaustausch entwickeln.

Exilanten als Türöffner

Dr. Becher machte klar, dass der Erfolg des Adalbert Stifter Verein nach 1989 ohne die enge Zusammenarbeit mit tschechischen Exilanten in den 1970er- und 1980er-Jahren kaum möglich gewesen wäre:

„Seit dieser Zeit hatte der Stifter-Verein sehr gute Kontakte zu Exil-Tschechen, die hier gelebt haben, also ob das Ota Filip in München war, ob das Jiří Gruša war, der in Bonn war oder Pavel Kohout und natürlich Ivan Medek, unser ganz besonderer Freund hier in München. Und über die hatten wir wieder Verbindungen zu der Samizdat-Szene in Tschechien.“

Dr. Becher

Diese Beziehungen stärkten die Glaubwürdigkeit des Vereins in der tschechischen Kulturszene und ermöglichten sofortige Kooperationen, als sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs neue Möglichkeiten öffneten.

„Als die Samtene Revolution kam, war für uns klar sofort, wir müssen unbedingt rübergehen, jetzt müssen wir den deutsch-tschechischen Kulturaustausch mitgestalten, gerade mit unserem Hintergrund und wir haben überall offene Türen gefunden.“

Dr. Becher

Brückenbauer zwischen Kulturen

Besonders eindrucksvoll schilderte Becher die ersten Begegnungen mit tschechischen Schriftstellern nach 1989.

„Wir haben Ludvik Vaculík und Lenka Procházková nach München eingeladen. Wir haben dann drei Tage lang im Sudetendeutschen Haus gelesen, diskutiert und bis drei Uhr nachts gesungen.“

Dr. Becher

Solche Begegnungen öffneten Türen und bauten Vertrauen auf, ein unbezahlbarer Beitrag in einer Zeit, in der viele Sudetendeutsche und Tschechen noch von Ressentiments geprägt waren. Dr. Becher betonte, wie sehr der Verein in den 2000er-Jahren von tschechischen Intellektuellen unterstützt wurde, als politische Kräfte in Deutschland versuchten, die institutionelle Förderung nach § 96 BVFG zu kürzen.

„Tschechische Intellektuelle haben uns geholfen. Der PEN Klub, bei dem ich freundlicherweise auch Mitglied geworden bin, hat einen Brief mit 20 Unterschriften an den Kulturstaatsminister geschrieben, der damalige Botschafter František Černy hat ihn angeschrieben. Plötzlich war das kein Thema mehr, dass man uns abschaffen wollte, plötzlich mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass wir den Kulturaustausch nicht behindert hatten, sondern dass wir ihn im Gegenteil gefördert hatten. Das war eigentlich mein größtes Erfolgserlebnis, und dafür bin ich den tschechischen Freunden, den Intellektuellen und Schriftstellern immer sehr, sehr dankbar, dass sie das gemacht haben. Weil sie damit auch demonstriert haben, dass wir alle zu der böhmischen Familie gehören.“

Dr. Becher

Emotionale Familienerinnerungen

Das Gespräch ging jedoch weit über Institutionen hinaus. Dr. Peter Becher sprach offen über die emotionalen Spannungen in der Familie, insbesondere das Verhältnis zu seinem Vater. Walter Becher hatte eine bewegte Biografie, geboren in Karlsbad, Sudetendeutscher Aktivist, Kulturredakteur in Prag und Reichenberg, Kriegsberichterstatter, nach 1945 politischer Funktionär der Vertriebenenverbände.

Besonders berührend war Bechers Schilderung der Rückkehr nach Karlsbad Anfang der 1990er-Jahre, gemeinsam mit seinem Vater.

„Ich werde nie vergessen, wie wir durch den Ort gegangen sind, wie er mir erzählte, wo was ist, wo die Schule war, wo das Elternhaus war, das war ein wirklich bewegender Moment für uns beide.“

Dr. Becher

Der Abend machte deutlich, dass Dr. Peter Becher Brücken nicht nur zwischen Kulturen, sondern auch zwischen Generationen baut. Sein Lebensweg ist ein Beispiel dafür, wie man die Last der Vergangenheit in etwas Konstruktives verwandeln kann.

Der Adalbert Stifter Verein verdient Anerkennung

Der Adalbert Stifter Verein, den Dr. Becher über drei Jahrzehnte als Geschäftsführer geprägt hat, verdient in diesem Zusammenhang besondere Anerkennung. Er sammelt, bewahrt und vermittelt das kulturelle Erbe der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien und trägt es in die europäische Gegenwart.

„Laut der Satzung ist der Zweck des Vereins, das kulturelle Erbe und die schöpferischen Kräfte der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien zu sammeln, die wissenschaftliche und künstlerische Tradition der Sudetenländer als Teil der deutschen und europäischen Kultur weiterzutragen und insbesondere in den deutsch-tschechischen Kulturaustausch einzubringen.“

Diesen Auftrag erfüllt der Adalbert Stifter Verein heute mit einer beeindruckenden Vielfalt an Aktivitäten. Dazu gehören wissenschaftliche Publikationen, literarische Veranstaltungen, Bildungsreisen und Stipendienprogramme, die neue Generationen für die gemeinsame Kulturgeschichte begeistern und den Austausch zwischen Deutschland und Tschechien nachhaltig stärken. Es ist kein Zufall, dass Václav Havel 1997 zum 50-jährigen Bestehen des Vereins ein Grußwort schickte.

„Liebe Freunde und Landsleute, ich danke Ihnen für alles, was Sie bisher zur Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen getan haben, für Ihr Bestreben, gemeinsame Interessen zu suchen und an den Aufgaben für morgen mitzuarbeiten.“

Václav Havel

Grußwort an den Adalbert Stifter Verein in 50 Jahre Adalbert Stifter Verein 1947–1997 München 1998

Diese Worte gelten bis heute und sie gelten auch Dr. Peter Becher persönlich. Am Ende des Podiumsgesprächs fragte Moderator Prof. Dr. Andreas Otto Weber nach einem Ausblick. Was wolle er noch erreichen?

„Eigentlich bin ich mit einem sehr erfüllten Geschäftsleben in die Rente gegangen. Ich habe das Glück, dass ich von der Lokomotive in den Salonwagen wechseln durfte. Also ich finde, ich fahre mit diesem böhmischen Zug gerne noch viele Jahre weiter.“

Dr. Becher

Dr. Becher Als Vorsitzender des Adalbert Stifter Verein reist weiter, schreibt Bücher und begleitet Projekte, die sein Lebenswerk fortführen. Der Abend im Haus des Deutschen Ostens endete mit langem Applaus. Wer dabei war, spürte, Dr. Peter Becher steht für eine Haltung, die in unserer Zeit besonders wichtig ist. Nicht jeder Becher ist Becher bitter. Es gibt auch jene, die das Glas halb voll sehen und aus dieser Haltung heraus Zukunft gestalten.

Deutsch https://www.henryertner.com/nicht-jeder-becher-ist-becher-bitter/

English https://medium.com/@henryertner/not-every-becher-is-becher-bitter-e8f6cb3030e0

Česky https://medium.seznam.cz/clanek/henry-ertner-ne-kazdy-becher-dela-becherovku-174905


0 Antworten zu „Nicht jeder Becher ist Becher bitter“