Die Ausstellung „Ferdinand Porsche und andere Pioniere“ im Sudetendeutschen Museum in München zeigt die Wurzeln der Mobilität in Böhmen und Mähren, vom Fahrradbau bis zu Porsche und VW.

Die Ausstellung mit dem Titel „Ferdinand Porsche und andere Pioniere. Wegbereiter der Mobilität aus Böhmen und Mähren“ die vom 18.07.2025 bis 11.01.2026 im Sudetendeutschen Museum stattfindet, ist weit mehr als eine Würdigung eleganter Sportwagen. Sie erzählt die Geschichte einer ganzen Region Böhmen und Mähren als Wiege der Automobilindustrie in Mitteleuropa. Vom Fahrradbau über die ersten Automobile bis hin zu Porsche und Volkswagen zeigt sich ein roter Faden, der tief in den sudetendeutschen und böhmischen Traditionen verankert ist.

Vom Fahrrad zur Industrie

Alles beginnt mit dem Fahrrad. Unternehmen wie Premier Works in Eger (Cheb) (1893) und die Marke ES-KA zeigen, dass Böhmen schon Ende des 19. Jahrhunderts ein Zentrum der Fahrradproduktion war. Hier entstand eine Industrie, die die Basis für spätere Entwicklungen im Motorrad- und Automobilbau legte.

Auch Laurin & Klement starteten 1895 in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) mit Fahrrädern, bevor Motorräder und ab 1905 Autos folgten. Václav Laurin, der Techniker, und Václav Klement, der Unternehmer, schufen mit der Voiturette A eines der ersten erfolgreichen Autos Mitteleuropas. Diese Pionierleistungen stehen beispielhaft für den Unternehmergeist der Region.

Motorräder und frühe Automobile

Parallel dazu entwickelte sich die Motorradproduktion. Ein besonderes Highlight der Ausstellung ist das leuchtend gelbe und rote Böhmerland-Motorrad von Albin Hugo Liebisch. Es steht sinnbildlich für die Innovationskraft Böhmens, ein extrem langes Motorrad mit Platz für mehrere Passagiere, eine technische Kuriosität und ein Blickfang seiner Zeit.

Die Ausstellung erinnert auch an Theodor von Liebieg, der 1894 von Reichenberg (Liberec) eine 939 Kilometer lange Automobilfernfahrt unternahm. Mit dieser Reise setzte er ein Zeichen für die Alltagstauglichkeit des neuen Verkehrsmittels und trug dazu bei, die Automobilindustrie in Böhmen zu fördern.

Von Laurin & Klement zu Škoda

Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die Märkte. Laurin & Klement fusionierten 1925 mit dem Maschinenbaukonzern Škoda aus Pilsen (Plzeň). Škoda brachte moderne Fließbandproduktion in das Unternehmen ein, wodurch es international wettbewerbsfähig wurde. Die ersten Škoda-Modelle wie der 4R und der 6R trugen noch die Namen beider Firmen.

Die industrielle Basis für diesen Erfolg legte Emil von Škoda (1839–1900). Als Gründer des größten Maschinen- und Rüstungskonzerns der österreichisch-ungarischen Monarchie trug er entscheidend dazu bei, dass die Region zu einem industriellen Kraftzentrum wurde.

Willibald Gatter und das „Volksauto“

Eine weitere spannende Figur ist Willibald Gatter aus Hühnerwasser (Kuřívody). Er träumte vom erschwinglichen Auto für jedermann und baute 1926 den ersten Prototyp seines „Kleinen Gatter“. Das Fahrzeug war leicht, sparsam und für breite Bevölkerungsschichten gedacht. Ein Konzept, das Jahrzehnte später mit dem VW Käfer weltweit erfolgreich wurde.

Zur Ausstellungseröffnung am 17. August waren die Nachfahren Willibald Gatters von weither angereist: Sohn Wulf Gatter, Enkel Peer Gatter und Urenkelin Lea Gatter waren.

Leider musste die Gatter Autowerk GmbH 1936 aufgrund der Weltwirtschaftskrise schließen. Doch Gatter bleibt als Visionär in Erinnerung, dessen Ideen ihrer Zeit voraus waren.

Ferdinand Porsche

Ein Höhepunkt der Ausstellung ist der Lebensweg von Ferdinand Porsche (1875–1951). Geboren in Maffersdorf (Vratislavice nad Nisou) zeigte er schon früh eine Leidenschaft für Elektrizität. Bereits 1900 entwickelte er für Ludwig Lohner in Wien das erste Elektroauto mit Radnabenmotoren, ein Meilenstein der Technikgeschichte.

Porsche experimentierte weiter mit Hybridantrieben, bevor er 1931 sein eigenes Konstruktionsbüro gründete. Dort entstand 1934 im Auftrag des NS-Regimes der „KdF-Wagen“, der später als VW Käfer bekannt wurde. Während der NS-Zeit war Porsche auch in die Rüstungsproduktion eingebunden, ein Aspekt, der in der Ausstellung kritisch beleuchtet wird.

Nach dem Krieg setzte Porsche mit dem Porsche 356 neue Maßstäbe im Sportwagenbau. Dieses elegante Fahrzeug, das 1948 in Gmünd (Österreich) entstand, gilt als Beginn der Porsche-Tradition.

Der VW Käfer und das Wirtschaftswunder

Der von Porsche entworfene VW Käfer wurde ab 1946 in Wolfsburg in Serie produziert und entwickelte sich zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Mit über 21 Millionen verkauften Exemplaren gehört er zu den meistgebauten Autos der Welt. Werbung wie „Er gehört zur Familie“ prägte das Image des Käfers als zuverlässiges Alltagsauto für jedermann.

Ab 1974 löste der VW Golf den Käfer ab, doch der Mythos des „Volksautos“ blieb bestehen, ein Konzept, das Ferdinand Porsche und Willibald Gatter schon Jahrzehnte zuvor geprägt hatten.

Sudetendeutsche und böhmische Wurzeln

Die Ausstellung macht eindrucksvoll deutlich, wie viele bedeutende Persönlichkeiten und Firmen der Automobilgeschichte aus Böhmen und dem Sudetenland stammen. Namen wie Laurin, Klement, Škoda, Gatter und Porsche stehen nicht nur für technische Innovation, sondern auch für die industrielle und kulturelle Vielfalt dieser Region.

Böhmen war ein Schmelztiegel, in dem deutsche, tschechische und jüdische Unternehmer, Ingenieure und Arbeiter zusammenwirkten. Diese europäische Dimension zeigt sich bis heute, Škoda ist seit 2000 Teil des Volkswagen-Konzerns, und Porsche gehört seit 2012 ebenfalls mehrheitlich zu VW.

Europäische Geschichte zum Anfassen

Wer die Ausstellung „Ferdinand Porsche und andere Pioniere. Wegbereiter der Mobilität aus Böhmen und Mähren“ besucht, taucht tief in die Geschichte einer Region ein, die wie kaum eine andere für industrielle Modernität steht. Vom Fahrrad der Premier Works über die Motorräder von Böhmerland und die Automobile von Laurin & Klement bis hin zu Porsche und VW, alles hängt zusammen und hat seine Wurzeln in Böhmen, Mähren und Schlesien.

Die Ausstellung macht deutlich, dass Automobilgeschichte weit mehr ist als reine Technikgeschichte. Sie erzählt von Menschen, Visionen und kulturellen Verflechtungen, die Europa bis heute prägen und bereichern. Besonders gefreut hat mich, dass alle Beschreibungen nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch auf Tschechisch verfasst sind. Das ist ein klares Zeichen dafür, wie man Brücken zwischen Deutschen und Tschechen bauen kann.

Deutsch https://www.henryertner.com/ferdinand-porsche-sudetendeutsche-wurzeln-der-automobilindustrie/

English https://medium.com/@henryertner/ferdinand-porsche-sudeten-german-roots-of-automotive-industry-9ba1ac9fe604

Česky https://medium.seznam.cz/clanek/henry-ertner-ferdinand-porsche-sudetonemecke-koreny-automobiloveho-prumyslu-172357


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