Ein Violinbass aus Bubenreuth erobert die Welt. Wie ein vertriebener Geigenbauer aus dem Sudetenland den Sound der Beatles prägte.
Es klingt wie eine Legende, die Geschichte eines vertriebenen Geigenbauers aus dem böhmischen Schönbach (Tschechisch Luby), der in Bubenreuth in Bayern neu anfing und schließlich das Instrument schuf, das Paul McCartney zum Soundtrack einer ganzen Generation machte. Doch so märchenhaft diese Erzählung klingt, sie ist tief verwurzelt in den Brüchen und Wunden der mitteleuropäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Von Schönbach nach Bubenreuth, die Reise einer Tradition
Schönbach (Tschechisch Luby), ein kleines Städtchen im Egerland, war bis 1945 das Herz der europäischen Geigenproduktion. Fast jede Familie lebte dort vom Bau von Geigen, Bratschen, Gitarren oder Zithern. Nach der Vertreibung der Sudetendeutschen 1946 löste sich dieses Zentrum buchstäblich über Nacht auf. Fast alle von Instrumentenbauern mussten ihre Heimat verlassen, viele von ihnen landeten in Bayern.
Dort fanden sie, nach schweren Anfängen in Notunterkünften, wieder Boden unter den Füßen. Mit ihrer Handwerkskunst schufen sie ein neues Zentrum des europäischen Instrumentenbaus. Einer von ihnen war Karl Höfner, dessen Firma später Weltruhm erlangte. Karl Höfner und seine Söhne setzten die Familientradition fort und bauten 1950 ihre neue Fabrik auf. Aus kleinen Werkstätten wuchsen Betriebe mit Dutzenden von Mitarbeitern. Sie produzierten nicht nur Geigen, sondern auch Gitarren und Violinbässe, die den Nerv der Zeit trafen.
Besonders erfolgreich war ab Mitte der 1950er-Jahre ein Modell, das später Musikgeschichte schreiben sollte, der Höfner Violinbass 500/1. Sein Korpus erinnerte an eine Geige, was nicht nur eine Hommage an die Herkunft der Schönbacher Geigenbauer war, sondern auch praktisch: Der Bass war leicht, gut zu handhaben und hatte einen warmen, holzigen Klang.
Wie der Bass zu Paul McCartney kam?
1961 stand ein junger britischer Musiker in Hamburg in einem Instrumentengeschäft. Der Musiker hieß Paul McCartney, damals noch Bassist einer unbekannten Band namens „The Beatles“, suchte dringend ein Instrument, das er sich leisten konnte und das vor allem für einen Linkshänder spielbar war.
Der Höfner 500/1 war günstiger als amerikanische Konkurrenzmodelle und bot genau das, was McCartney brauchte. Er kaufte ihn und von da an war das Bild des jungen Beatles mit dem Violinbass auf der Bühne eine Ikone. Der Bass wurde zum Kultobjekt, „Beatles-Bass“ genannt, und prägte den Sound unzähliger Hits.
Von der Vertreibung zur Weltbühne
Es ist eine paradoxe Wendung der Geschichte, das Schicksal der Vertreibung, das so viele Sudetendeutsche entwurzelte und in existenzielle Not brachte, führte indirekt dazu, dass der Klang der Beatles aus Bubenreuth kam. Ohne die Werkstatt in Bubenreuth, ohne die handwerkliche Tradition aus Schönbach, ohne den Mut der Familie Höfner, nach dem Krieg neu zu beginnen, hätte es den „Beatles-Bass“ nicht gegeben.
Man kann es fast wie eine Allegorie lesen, aus der Erfahrung von Verlust und Heimatlosigkeit wuchs etwas, das die ganze Welt berührte. Ein Geigenbauer, dessen Söhne mit ihm eine Gitarrenfabrik bauten, deren Instrument schließlich in den Händen eines britischen Musikers zur Ikone und der globalen Jugendkultur der 1960er wurde.
Die Geige neben dem Bass
In der Ausstellung im Sudetendeutschen Museum, die dieses Bild so eindrucksvoll einfängt, hängt der berühmte Violinbass neben einer Geige.

Auch sie erzählt eine Geschichte. Gebaut von Moritz Lutz, einem weiteren Schönbacher Geigenbauer, der die Familientradition nach 1945 in Mittenwald und Bubenreuth fortsetzte. Seine Geige ist eine Kopie einer Stradivari, ein Symbol für die tiefe Verwurzelung dieser Handwerker in der europäischen Musikgeschichte.
So stehen die beiden Instrumente nebeneinander wie zwei Pole derselben Erzählung, die Geige, die für Jahrhunderte alte Handwerkskunst steht, und der Violinbass, der für Aufbruch, Popkultur und globale Moderne steht. Beides entstand aus derselben Quelle, der Vertreibung und dem Neubeginn in Bayern.
Der Mensch hinter der Geschichte
Es lohnt sich, sich diesen Geigenmacher und Gitarrenbauer vorzustellen. Ein Mann, der nach dem Krieg alles verlor, das Haus, die Werkstatt, die Heimat. Der mit seiner Familie ins Ungewisse geschickt wurde. Der in Baracken lebte, bis ihm in Bubenreuth eine neue Existenz gelang. Und der, ohne es zu ahnen, ein Instrument baute, das Millionen Menschen weltweit hören und lieben würden.
Vielleicht wusste er gar nicht, was daraus wird. Vielleicht hatte er keine Vorstellung davon, welche Bedeutung dieses Modell einmal erlangen würde. Aber im Rückblick zeigt sich, seine Arbeit, geboren aus Tradition, Verlust und Neubeginn, hat Geschichte geschrieben.
Musik als Brücke
Der Violinbass ist mehr als nur ein Instrument. Er ist ein Symbol dafür, wie Kultur Brücken schlagen kann, auch über die tiefsten Brüche hinweg. Ein Stück Holz aus Bayern, geformt von vertriebenen Sudetendeutschen, wurde zum Herzschlag der globalen Popmusik.
Die Geschichte dieses Basses zeigt, dass selbst in den dunkelsten Kapiteln der Geschichte, im Krieg, während der Vertreibung, begleitet durch Verlust, etwas neues entstehen kann, das Hoffnung und Freude schenkt. Vielleicht liegt gerade darin die eigentliche „Magie“ dieses Instruments.
Herzlichen Dank an Familie Höfner und Paul McCartney!
Deutsch https://www.henryertner.com/der-geigenbauer-aus-sudetenland-der-den-beatles-ihren-bass-brachte/
0 Antworten zu „Der Geigenbauer aus Sudetenland, der den Beatles ihren Bass brachte“